Meysenbug, Malwida von (1816-1903)

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Malwida von Meysenbug
Fotografie
Lippische Landesbibliothek, Autogr 510, Beilage

Malwida von Meysenbug (* 28. Oktober 1816 in Kassel; † 26. April 1903 in Rom) war Lehrerin, Schriftstellerin und Kämpferin für Frauenrechte. Sie lebte von 1831 bis 1850 in Detmold.

GND http://d-nb.info/gnd/118582054
Andere Namen Meysenbug, Amalie Malwida Wilhelmina Tamina von (voller Name)
Geburtsdatum 28.10.1816 Kassel
Geburtsort Kassel
Sterbedatum 26.4.1903
Sterbeort Rom
Bekannt als (Tätigkeitsfeld) Schriftstellerin
Lippe-Bezug lebte in Detmold
Beziehung zu Personen
Beziehung zu Institutionen
Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Malwida_von_Meysenbug

Leben

Erste Jahre

Geboren ist Malwida 1816 in Kassel als neuntes von zwölf Kindern. Ihre Eltern sind der kurhessische Minister Philipp Revalier († 1847) und seine Frau Ernestine († 1861). Die Familie ist hugenottischer Abstammung. 1825 wird der Vater in den Adelsstand erhoben unter dem Namen „von Meysenbug“; 1834 wird er von Kaiser Franz I. von Österreich zum Baron gemacht.

Ihre erste Bildung erhält Malwida durch die Mutter. 1830, als Vierzehnjährige, erlebt sie Unruhen in Kassel; das Wohnhaus wird von Menschen mit Steinen beworfen. Als der Kurfürst von Hessen 1831 abdankt, folgt ihm Malwidas Vater nach Hanau. Die Mutter siedelt mit den beiden jüngeren Töchtern Malwida und Laura nach Detmold um.

1833/34 hat Malwida Konfirmandenunterricht beim Detmolder Pfarrer Friedrich Georg Althaus und wird am 29.6.1834 konfirmiert. Im Herbst 1842 bis April 1843 ist sie in Frankfurt bei ihrem Vater und hat Malunterricht bei Carl Morgenstern. 1845 rät ihr ein Arzt, das Malen aufzugeben, weil es ihre Augen gefährde.

Seit April 1843 ist sie mit dem sechs Jahre jüngeren Theodor Althaus befreundet (dem Sohn des Pfarrers Althaus), dessen Examenspredigt sie in Detmold gehört hat. Theodors Schwester Elisabeth ist bereits eine enge Freundin. Die beiden verlieben sich ineinander. Theodors revolutionäre Ideen und seine Veröffentlichungen, mit denen sie sympathisiert, führen zu Spannungen mit ihrer Familie. Vom Oktober 1844 bis Mai 1845 reist sie mit ihrer Schägerin Caroline in die Provence.

Im Herbst 1847 bis April 1848 ist sie in Frankfurt am Main; sie nimmt heimlich als Beobachterin am Vorparlament in der Paulskirche teil (Frauen waren nicht zugelassen). Im April 1848 kehrt sie nach Detmold zurück. Die Beziehung zu Althaus kühlt ab. Sie macht Bekanntschaft mit Gottfried und Johanna Kinkel (Briefwechsel) und ist mit dem Führer der demokratischen Bewegung in Lippe befreundet, dem Publizisten und Lehrer Carl Volkhausen.

1850 veröffentlicht sie ihr Manifest „ein Frauenschwur“. Im Frühjahr 1850 macht sie die Bekanntschaft von Julius Fröbel, der ihr einen Heiratsantrag macht und die Auswanderung in die USA anbietet. Stattdessen studiert sie Mai 1850 bis April 1852 an der kurzlebigen Hamburger „Hochschule für das weibliche Geschlecht“, an deren Leitung sie sich beteiligt. Direktor ist Julius’ Bruder, der Pädagoge Karl Fröbel. Theodor Althaus soll als Dozent kommen; ihm wird jedoch in Hamburg die Aufenthaltserlaubnis verweigert. 1852 muss die Schule aus politischen und finanziellen Gründen wieder schließen.

1852-1862 London, Bayreuth

Über Berlin, wo sie von der Polizei wegen revolutionärer Umtriebe verhört wird, geht sie nach London. Im Dezember1852 wird sie Erzieherin von Natalie und Olga Herzen, der Töchter des russischen Emigranten Alexander Herzen († 1870). Sie lernt russisch und übersetzt verschiedene Schriften Herzens. Zwischendurch gibt es immer wieder Konflikte mit Herzen über Fragen der Erziehung. Asl Herzen 1856 eine Beziehung zur verheirateten Natalie Olgareff eingeht, gibt Malwida die Stellung auf (nicht wegen moralischer Bedenken, sondern wegen der veränderten Beziehung zu Herzens Kindern).

Im Frühjahr 1855 hört Malwida erstmals die Musik Richard Wagners im Konzert.

Malwida verbringt Zeit mit schriftstellerischen und journalistischen Arbeiten. Bei einem Aufenthalt in Paris im Winter 1860 lernt sie Richard Wagner persönlich kennen und wird von ihm angeregt, die Philosophie Schopenhausers zu studieren. In der Folge über Schopenhauer auch Beschäftigung mit altindischer Philosophie und Lebensweisheit. Ab Sommer 1860 nimmt sie die Beziehung mit Herzens Töchtern wieder auf und pflegt eine enge Beziehung; 1861 adoptiert sie Olga Herzen.

Im Winter 1862 reist sie mit Olga und Natalie Herzen nach Italien. Von 1863 bis 1873 verbringt sie die Wintermonate recht regelmäßig in Florenz.

1868 besucht sie mit Olga eine Aufführung der Meistersinger in Nürnberg; die Bekanntschaft mit Wagner entwickelt sich zur engen Freundschaft, ebenso mit Wagners späterer Frau Cosima; bei deren Hochzeit 1870 ist sie Trauzeugin. 1869 erscheint in Genf der erste Band ihrer „memoiren einer Idealistin“ in französischer Sprache; erst XXX auf deutsch.

1872 lernt sie Marie Loper-Housselle kennen und freundet sich an (Führerin der entstehenden Frauenbewegung und Publizistin). Im Mai 1872 ist sie zur Grundsteinlegung des Festspielhauses in Bayreuth, wo sie Friedrich Nietzsche kennenlernt.

1873 heiratet Olga den französischen Historiker Gabriel Monod. Malwida ist zunächst erschüttert und sieht ihre Beziehung in Gefahr; aber stattdessen freundet sie sich mit Monod an; und Olga lässt ihr kontinuierlich finanzielle Unterstützung für den Lebensunterhalt zukommen.

Im August 1873 zieht sie nach Bayreuth auf Einladung Wagners, doch bekommt ihr das Klima nicht, so dass sie 1874 wieder nach Italien geht.


1874-1903 Rom bis zum Lebensende

Im November 1874 nimmt sie Wohnung in Rom; 1877 in der Via Polveria, die sie (mit Unterbrechungen) bis zu ihrem Lebensende behält.

1876 erscheinen die Memoiren einer Idealistin erstmals vollständig auf deutsch, allerdings anonym, bei Auerbach in Stuttgart. Die erste Auflage von 1.000 gedruckte Exemplaren ist im Folgejahr vergriffen. Erst die dritte Auflage, 1887, erscheint unter Malwidas Namen.

Vom Oktober 1876 bis Juni 1877 erprobt sie mit Nietzsche und Paul Rée in Sorrent das Leben in einer „Gemeinschaft gleichgesinnter Menschen“. Doch Nietzsches Gesundheit lässt eine Fortsetzung nicht zu. Paul Rée wird ein enger Freund. Langsame Entfernung von Nietzsche nach dessen „Menschliches, Allzumenschliches (1878) und der Entzweiung zwischen Nietzsche und Wagner.

Im Dezember 1878 vertieft Malwida durch die Bekanntschaft und Gespräche mit dem indischen Arzt José Gerson da Cunha ihre Kenntnis der indischen Lebensweisheit. Im Winter 1878/79 freundet sie sich mit der Frauenrechtlerin Meta von Salis an, die 6 Monate bei ihr in Rom wohnt. 1879 erscheint ihr Werk „Stimmungsbilder“, zunächst anonym.

1882/83 wird sie in Rom von Franz von Lembach porträtiert.

Im Herbst 1889 lernt Malwida in Versailles Romain Rolland kennen, der 50 Jahre jünger ist. Mit ihm entwickelt sich ein reger Briefwechsel und eine tiefe Freundschaft. 1889-1891 ist Rolland für zwei Jahre in Rom.

1898 erscheint Der Lebensabend einer Idealistin in Berlin bei Schuster & Loeffler; das Buch wird ein großer Erfolg (als Volksausgabe bis 1910 bereits 10 Auflagen). Anschließend überlässt Malwida dem Verlag auch den Neudruck ihrer Memoiren .... 1901 erscheint ihr Aufsatzband Individualitäten. Im gleichen Jahr schlägt Gabriel Monod Malwida für einen Nobelpreis vor.[1] In Rom lernt Malwida die schwedische Pädagogin Ellen Key kennen.

Malwida stirbt in Rom am 26. April 1903. Sie wird verbrannt; ihre Urne wird am 1.4.1904 auf dem Friedhof Monte Testaccio beigesetzt.

Dokumente

  • Landesarchiv NRW, Abteilung OWL in Detmold: D72 Meysenbug (Nachlass Malwida von Meysenbug)
https://www.archive.nrw.de/ms/search?link=BESTAND-Best_91543a31-a7c7-4649-ba52-d2a78c8ca39e

Werke

Erich Sandow, Bibliographie. - In: Lippische Mitteilungen 36, 1967, S. 53-64.

https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/periodical/pageview/5631419

Selbständige Veröffentlichungen

  • Mémoires d'une idéaliste : (entre deux révolutions) ; 1830 - 1848 / [Malwida von Meysenbug]. - Genève [u.a.] : Georg, 1869. - VIII, 316 S.
02-14.02.1122 https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-23996
  • Memoiren einer Idealistin und ihr Nachtrag: Der Lebensabend einer Idealistin / Malwida von Meysenbug. - Berlin : Schuster & Loeffler, 1881. - [3. Aufl.]. -
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-24022
  • Stimmungsbilder. - Berlin [u.a.] : Schuster & Loeffler, 1900. - 3., und verm. Aufl. - 388 S.
02-A 816d.3.1 Literaturarchiv https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-24104
  • Himmlische und irdische Liebe : Roman. - Berlin [u.a.] : Schuster & Loeffler, 1905. - 2. Aufl. - 194 S.
01-D 1202c https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-24134
  • Phädra : Roman. - Berlin [u.a.] : Schuster & Loeffler, 1907. - 2. Aufl. - XI, 574 S.
01-D 1202b https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-24081
  • Unerfüllt : und anderes. - Berlin : Gnadenfeld, [ca. 1900]. - 223 S.
01-D 1202 https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-24117
  • Individualitäten. - Berlin [u.a.] : Schuster & Loeffler, 1901. - 579 S.
01-G 2947g https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-24125
  • Eine Reise nach Ostende (1849). - Berlin [u.a.] : Schuster & Loeffler, 1905. - 165 S.
01-D 1202e https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-24143

Briefe

  • Briefe von und an Malwida von Meysenbug / hrsg. von Berta Schleicher. - Berlin : Schuster & Loeffler, 1920. - 327 S.
02-A 816d.4.1 Literaturarchiv https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-24177
  • Ein Briefwechsel : 1890 - 1891 / Romain Rolland ; Malwida von Meysenbug. - Schleicher, Berta. - Stuttgart : Engelhorn, 1932. - 271 S. : Ill.
01-Lg 1811g https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-24217
  • Im Anfang war die Liebe : Briefe an ihre Pflegetochter / Malwida von Meysenbug. Hrsg. von Berta Schleicher. - München : Beck, [1931]. - 4. Aufl. - XIII, 334 S. : Ill.
02-A 816d.4.3 Literaturarchiv https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-24199
  • Märchenfrau und Malerdichter : Malwida von Meysenbug und Ludwig Sigismund Ruhl ; ein Briefwechsel / hrsg. von Berta Schleicher. - München : Beck, 1929. - 238 S. : Ill.
01-Lg 1787b https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-24185
  • Die Korrespondenzen der Malwida von Meysenbug / [hrsg. vom Nordrhein-Westfälischen Staatsarchiv Detmold]. Redaktion und Einleitung Annegret Tegtmeier-Breit. Nach Vorarbeiten von Christa Gehlhaus-Urban und Karin Hollmann. - Detmold, 2000.
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-23650


Beiträge

Literatur (Auswahl)

  • Jahrbuch der Malwida-von-Meysenbug-Gesellschaft. 1.1986 - 9.2010
LZ 632
  • Malwida von Meysenbug : die Idealistin. - In: Menschen vom lippischen Boden : Lebensbilder / hg. von Max Staercke. - Detmold : Meyer, 1936. - S. 234-235.
https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/content/pageview/6432427
  • Gisela Wagner: Malwida von Meysenbug. - In: Lippische Mitteilungen 36, 1967, S. 39-52
https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/periodical/pageview/5631405
  • Sabine Hering: Malwida von Meysenbug in Detmold - Daten einer Lebenswende. - In: Grabbe-Jahrbuch 7 (1988), S. 163-168.
https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/periodical/pageview/7585653#
  • I. Bewohner dieses kleinen Paradieses - die Meysenbugs in Detmold. - In: Wir zeigen Profil : aus den Sammlungen des Staatsarchivs Detmold ; Ausstellung des Nordrhein-Westfälischen Staatsarchivs Detmold / [Ausstellung u. Katalog: Christa Gehlhaus ; Volker Schockenhoff ; Hans-Peter Wehlt]. Detmold : Selbstverl. des Nordrhein-Westf. Staatsarchiv Detmold, 1990.
https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/content/pageview/8079822
  • Ingrid Biermann: Malwida von Meysenbug 1816-1903 : vom adeligen Fräulein zur Europäerin. - In: »Was für eine Frau!« : Portraits aus Ostwestfalen-Lippe / Hg. von Anna Brünink und Helga Grubitzsch. - Bielefeld : Westfalen-Verlag, 1992, S. 67-80.
  • Detlef Grumbach: Malwida von Meysenbug und die Hamburger "Hochschule für das weibliche Geschlecht". - In: Grabbe-Jahrbuch 11 (1992), S. 149-161.
https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/periodical/pageview/7588875
  • Joachim Radkau: Malwida von Meysenbug : Revolutionärin, Dichterin, Freundin ; eine Frau im 19. Jahrhundert. - München : Hanser, 2022.

Weblinks

Status der Seite

Quelle: Radkau 2022

22.01.2023 angelegt

Fußnoten

  1. Die Nobelpreise werden 1901 zum ersten Mal vergeben. Malwida ist die einzige Frau unter den 37 Anwärtern. Den Literaturnobelpreis erhält der Franzose Sully Prudhomme für sein Lebenswerk; der Friedensnobelpreis geht an Frédéric Passy, Frankreich und Henry Dunant, Schweiz, für die Gründung der „Société française pour l'arbitrage entre nations“.