Lage-Müssen
Autor: Herbert Stöwer
Müssen ist seit 1970 ein Ortsteil der Stadt Lage .
Müssen | |
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GND | http://d-nb.info/gnd/4260951-3 |
Teil von | Stadt Lage |
Wikipedia |
Geschichte
Historische Entwicklung | |
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Gemeindefläche | 6,57 qkm (1961); 6,57 qkm (1968) |
Ehemaliges Amt | Amt Detmold, Vogtei Lage (bis 1823); Amt Lage, Vogtei Lage (1823-1879) |
Kirchengemeinde | Lage (1875 und früher) |
Einwohnerzahl | 180 (1609), 378 (1776), 963 (1939), 1.450 (1950), 2.023 (1968), 2.679 (1991), 3.062 (2000), 3.239 (2006) |
Urkundliche Überlieferung und Siedungsgeschichte
Die Ortschaft besteht aus mehreren alten Siedlungskernen, und zwar Hüntrup mit Havergo und Hachhof, Müssen und Ottenhausen. Breitenheide und Heisundern sind erst in der Neuzeit besiedelt worden. Die Kötterhöfe westlich der Schieregge könnten im Mittelalter auf dem nördlichen Teil einer mindestens seit dem 10. Jahrhundert vorhandenen, im 13./14. Jahrhundert aufgegebenen Siedlung an der Retlage entstanden sein. Die Besitzstruktur zeigt teilweise eine hufenartige Aufteilung. In den Jahren ab 1978 bzw. 1986 sind im Bereich der Baggerseen Grabungen des Lippischen Landesmuseums Detmold durchgeführt worden. Als Name der aufgegebenen Siedlung wird bisher Retlage angenommen. Der Hof Rethmeier in Billinghausen (im 15. Jahrhundert Meier auf der Retlage) führt den Namen fort (s. unter Billinghausen). Die Höfe Meier zu Ottenhausen, Müssemeier, Havergo und Hachmeier sind Einödhöfe mit Block- oder Kampflur. Sie sind dem frühen Mittelalter zuzurechnen. Aus dem Rahmen fällt Hüntrup mit einer den Langstreifen vergleichbaren Besitzaufteilung auf dem nördlich der Bauernhöfe gelegenen Flurbezirk. Nach dem Ortsnamen wäre man geneigt, Hüntrup als »-trup«-Ort zeitlich mindestens so früh anzusetzen wie die drei erstgenannten Meierhöfe. Dagegen spricht nach Friedrich Brand allerdings u.a., dass an dem Besitz im eschähnlichen Flurbezirk nur Kötterhöfe beteiligt sind und die Bodenqualität gering ist. Der an der Retlage gelegene Hachmeier-Hof dürfte in der Zeit der Hagenkolonisation 12./13. Jahrhundert entstanden sein.
Müssen
Nach den Corveyer Traditionen übertrug in der Zeit von 1001-1010 ein Volkmarus alles, was er in Haverga besaß, dem Kloster Corvey. In den ältesten lippischen Landschatzregistern von 1467 und 1488 versteht man unter »tom Haverga« bzw. »Havergae« als Ortsbezeichnung Höfe in Müssen (»in der Mussen«), wozu auch der Meier zum Havergo gehörte. 1497 und 1507 wurden die Höfe unter Huntorpe zusammengefasst. Unabhängig davon erscheint ab 1467 ein Hof Havergo(e) bzw. Haverga unter den Mönchleuten des Klosters Marienfeld, der später unter Wellentrup geführt wird. Es spricht einiges dafür, dass unter Haverga in den Corveyer Traditionen Müssen mit dem Meier zum Havergo (Müssen Nr. 3) zu verstehen ist.
Edelherr Heinrich I. von Sternberg übereignete 1245 eine von Ritter Arnold von Paderborn resignierte Kurie in Musne und deren Zehnt an das Kloster Marienfeld. Um 1340 waren eine Kurie in Müssen und der halbe Zehnt Marienfelder Lehen. In landesherrlichen Rechnungen des Amts Brake von 1385-1388 wird Müssen (to der Musse) erwähnt. Einen Hof zu Müssen verpfändete der Landesherr 1395 an Waltheringh zu Lemgo, 1396 an Lüdeke Howyde, 1464 an Cord Cleynsorge (Meierhof »to der Musse«). 1435 traten die von Molenbeck den ihnen von den Brüdern von der Lippe verpfändeten vierten Teil des Zehnten zu Müssen und die Hälfte der Güter zu Hüntrup und Müssen sowie ein Viertel des »Wendessunder in der Musse« an den Lemgoer Bürger Arnd den Ritter, ein anderes Viertel des Zehnten und den anderen Teil derselben Güter dem Kloster St. Marien zu Lemgo ab. Der halbe Zehnt zu Müssen war im 14./15. Jahrhundert auch Pfandobjekt des Landesherrn an die von Molenbecke, Bussche, Westpfahl und Lemgoer Bürger.
Ottenhausen
Ottenhausen wird in einer Urkunde von 1295 zum ersten Mal erwähnt. Aus ihr geht hervor, dass ein Ludwig von Rostorpe dem inzwischen verstorbenen Bischof Simon von Paderborn (1247-1276) das Dorf Lage, Odenhosen (Ottenhausen) und andere Güter verkauft hat. Simon I. zur Lippe übergab im Jahre 1333 dem Bischof von Paderborn als Ersatz für den dem Kloster Marienfeld überlassenen Zehnten zu Hiddentrup eine curtis in Ottenhausen in der Pfarrei Lagis. 1390 verpfändete Simon III. an Heinrich Waltheringh den Hof zu Otenhusen im Kirchspiel Lage mit dem Sundern. Ab 1425 (1467 Autenhusen) trug Johann Quaditus vom Landesherrn den Hof und Sundern zu Otenhusen zu Lehen. Wegen der Einlösung kam es 1478 zu einem Streit zwischen dem Landesherrn und Waltering gen. Quaditz. Der Hof zu Otenhusen wurde 1494 vom Landesherrn an Bose, 1525 von letzerem an den Vogt Kleinsorge verkauft. Der Meier zu Ottenhausen gehörte zur Nienhagener Zehntflur.
Hüntrup
Eine Manse und eine Geldrente zu Huntinctorpe veräußerte im Jahr 1248 Johann von Hagen als Lehnsmann des Arnold von Hagenbeck, dessen Lehnsherr wiederum Amelung von der Lippe war, an das Kloster Marienfeld. 1252 überließ Graf Heinrich I. von Sternberg das nach einer anderen Urkunde von der Äbtissin zu Möllenbeck ihm übertragene Haus zu Hunctinctorpe und die Vogtei über das Gut dem Kloster Marienfeld. Die Brüder Hermann und Konrad de Lippia verzichteten 1264 gegenüber dem Kloster Marienfeld auf die erhobenen Ansprüche auf eine Manse in Huntinctorp. Bernhard IV. schenkte 1267 die zunächst von den von der Lippe beanspruchten, dann dem Landesherrn resignierten Güter u. a. in Huntinctorpe an Marienfeld. Marienfelder Heberollen des 15. und 16. Jahrhunderts nennen als Besitz u. a. Friedrich zu Hüntrup. Im 16. Jahrhundert wurden auf der Breitenheide zahlreiche neue Kolonate angesiedelt.
Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaft
Nach dem Salbuch von 1781 bestand Müssen neben 2 freien Stätten aus 46 Kolonaten: 1 Vollmeier, 2 Halbmeier, 2 Großkötter, 3 Mittelkötter, 6 Kleinkötter, 32 Hoppenplöcker und Straßenkötter.
An nichtbäuerlichen Tätigkeiten wurden 1776 genannt: 2 Schneider, je 1 Holzschuhmacher, Schuster, Seiler, Schmied, Krüger, Hebamme, Bauerrichter, Holzknecht. 47 Personen befassten sich mit dem Spinnen von Garn, und 1 Person muss mit Betteln den Lebensunterhalt bestreiten. Müssen besaß 1786 auch eine Schule.
Der Anteil der Wanderarbeiter an der männlichen Bevölkerung war in Müssen im 19. Jahrhundert sehr hoch. Er lag 1905 bei über 40%. Durch die in den 1950er Jahren beginnende Ansiedlung industrieller Unternehmen wuchsen die beiden Ortsteile Müssen und Billinghausen zu einer Einheit zusammen. An größeren Betrieben sind im gewerblichen Bereich zu nennen: Fleischwarenfabriken, Lebensmittelmarkt, Getreidegroßhandlung, Autohandel und Autolackiererei, Fotostudio und -labor. 1961 befanden sich in Müssen 34 nichtlandwirtschaftliche Arbeitsstätten mit 214 Beschäftigten, die überwiegend dem produzierenden Gewerbe zuzurechnen sind.
Müssen besitzt eine ev.-ref. Kirche mit Paul-Gerhardt-Haus sowie ein Gotteshaus der freikirchlichen Gemeinde. Ab 2002 bilden Stapelage und Müssen eine ev.-ref. Kirchengemeinde.
Auf den Höfen des Meiers zu Müssen (Müssen Nr. 2) und des Guts Ottenhausen (Müssen Nr. 1) befanden sich Bauernburgen. Für die Bauernburg des Meiers zu Müssen besitzen wir den ältesten schriftlichen Nachweis einer Bauernburg in Lippe, und zwar im Schadensverzeichnis der Eversteiner Fehde von ca. 1409.
Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten
- Ehem. Hof Müssemeier, restauriertes Bauernhaus von 1655
- Naturschutzgebiet zwischen Rothenbach und Retlage mit gefährdeten Pflanzen- und Tierarten (ca. 135 ha)
- Biotope renaturierter Baggerseen mit Wanderwegen
- Golfsportanlage auf Gut Ottenhausen
Literatur
Alte Ansichten und Pläne
- Flurkarte der Bauerschaften Hüntrup und Müssen, Friernel, ca. 1 : 3500, 1730 [StAD], farbiges Repro siehe Lippe – Landeskunde NRW, 1993, S. 30; Umzeichnung bei Peter, 1960, S. 28.
- Flurnamen und Besitzverteilung in Müssen und Hüntrup um 1730, nach Friemel, bei Brand, 1967, Abb. 19.
Ortsgeschichte
- Linde, Roland: Wellentrup und der Hof Havergo - Ein Beispiel zur Geschichte der Grundherrschaft im Raum Lage. In: Zeitlupe. Historisches Jahrbııch für Lage, (2002), S. 6-24.
- Brand, Friedrich: Zur Genese der ländlich-agraren Siedlungen im Osning-Vorland. Detmold 1967 (Sonderveröffentlichungen des NHV 17), insb. S. 59-65.
- (Quelle) Herbert Stöwer: Lippische Ortsgeschichte : Handbuch der Städte und Gemeinden des ehemaligen Kreises Detmold. - Lemgo: Landesverband Lippe, 2008. - 600 S. : zahlr. Ill., Kt. - ZXIU 101. - S. XXX
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