Grabbe, Luise Christiane (1791-1848)

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Luise Christiane Grabbe geb. Clostermeier (* 15. August 1791 in Detmold; † 15. Oktober 1848 ebenda) war Ehefrau und Nachlasswalterin des Dichters Christian Dietrich Grabbe.

GND http://d-nb.info/gnd/11679903X
Andere Namen
Geburtsdatum 15.8.1791
Geburtsort Detmold
Sterbedatum 15.10.1848
Sterbeort Detmold
Bekannt als (Tätigkeitsfeld) Ehefrau Grabbes
Lippe-Bezug
Beziehung zu Personen
Beziehung zu Institutionen
Wikipedia Kein Eintrag

Leben

Luise Christiane wurde als älteste Tochter des Archivrats Christian Gottlieb Clostermeier und seiner Frau Christiane Louise geb. von Hoffmann am 15. August 1791 in Detmold geboren. Weniger als zwei Jahre später bekamen die Eltern eine zweite Tochter Eleonore Luise, die jedoch bereits 1813 im Alter von 19 Jahren starb. Sie besuchte im 7. und 8. Lebensjahr die Küsterschule am Marktplatz, dann die Bürgerschule, die sich im 10. und 11. Lebensjahr nach Mädchen- und Knabenbürgerschule teilt. Anschließend erhielt sie weiteren Unterricht von ihrem Vater, u.a. in Latein und Geschichte (erst 1830 wird in Detmold eine »höhere Mädchenschule« eröffnet).

Sie besaß ein sehr gutes Gedächtnis; beispielsweise konnte sie Lessings Nathan-Drama auswendig. Der Vater nahm sie mit ins Archiv, so dass sie dort als »sehr brauchbare und später sogar unentbehrliche Helferin« (Bergmann) tätig war. Als ihr Vater in den Jahren 1822 und 1823 schwere Schlaganfälle erlitt, wirkte sie als Sekretärin ihres Vaters und schrieb nach seinem Diktat. Bergmann fasst das zusammen zur Feststellung, Luise Christiane habe »eine Art wissenschaftliche Bildung« erhalten, womit sie unter den Frauen ihrer Zeit in Lippe eine ungewöhnliche Erscheinung war. Der Vater stammte aus Regensburg; weitere Verwandtschaft wohnte in Süddeutschland; die Familie der Mutter aus dem Rheinland. Nach dem Urteil Alfred Bergmanns ist es Luise Christiane nicht gelungen, zeitlebens mit der zurückhaltenden und spröden Wesensart der Menschen dort warm zu werden. Brieflich beklagte sie sich über die »versteinerte Menschenart«.[1]


Bekanntschaft und Ehe mit Grabbe

Ihr Vater, der Archivrat, starb 1829, ihre Mutter 1831. Da die Schwester schon 1813 gestorben war, hatte Luise Christiane keine Verwandten mehr in Detmold. Schon 1824 hatte sie den vom Vater vorgeschlagenen Eintritt in ein Damenstift abgelehnt; da war sie 32 Jahre alt.[2] Nach dem Tod des Vaters kümmerte sich Christian Dietrich Grabbe als juristischer Beistand um die mit dem Nachlass verbundenen rechtlichen Angelegenheiten. Im September 1829 machte der zehn Jahre jüngere Grabbe ihr einen Heiratsantrag, den Luise Christiane jedoch ablehnte; nach Darstellung Dullers wegen Grabbes Charakter; nach Darstellung Zieglers wegen der sozialen Stellung von Grabbes Vater, der Zuchtmeister am Detmolder Zuchthaus war. Nach dem Tod der Mutter trug Grabbe ihr im März 1832 erneut die Ehe an und erhielt erneut einen Korb, doch im Jahr darauf heirateten beide. Wohnhaus wird das Clostermeiersche Haus in der Straße Unter der Wehme, das nun Luise Christiane gehörte.

Mit der Hochzeit habe Louise Christiane nach dem Urteil Broers den »einzig möglichen Ausweg aus ihrer Situation, der Vereinsamung nach dem Tod ihrer Eltern« gewählt, da sie keine Freunde hatte; ihr keine Berufstätigkeit möglich war und sie den Eintritt ins Damenstift schon ausgeschlossen hatte. Aus ihrer Perspektive versprach die Ehe mit einem lippischen Beamten und bereits literarisch anerkannten Dichter Zugang zu neuen gesellschaftlichen Kreisen, obwohl sie ohnehin »eine der angesehensten Damen in Detmold« gewesen sei.[3] Grabbe hingegen scheint sich von der Ehe auch eine materielle Unabhängigkeit versprochen zu haben, da Luise Christiane Alleinerbin des elterlichen Vermögens war. Grabbe war entschieden, auch als Jurist, der Ansicht, dass das Vermögen von Eheleuten ein gemeinsames wäre, ihm also Luise Christianes Geld auch zur Verfügung stünde, während Luise Christiane darauf bestand, ihr ererbtes Vermögen für sich zu erhalten. Dazu trug sicher bei, dass sie Grabbes fahrlässigen und sorglosen Umgang mit Geld mehrfach erleben konnte. Die unterschiedlichen Ansichten dürften immer wieder zu Auseinandersetzungen und Streit zwischen den Ehepartnern geführt haben, die in der Folge das Klima des Zusammenlebens vergifteten. Fehlgeburt? (Broer Fn. 31)

Im Oktober 1834 floh Grabbe aus Detmold nach Frankfurt zu seinem Freund und Verleger Kettembeil, dann 1835 weiter nach Düsseldorf zu Immermann. Gesundheitlich und wirtschaftlich wurde dort die Situation für ihn schwieriger. Im Januar 1836 schrieb der Düsseldorfer Gastwirt Stang an Luise Christiane, sie möge ihren Mann wieder aufnehmen, doch Luise Christiane lehnte ab. Ende Mai 1836 kehrte Grabbe mit geliehenem Geld nach Detmold zurück und mietete sich zunächst im Hotel Stadt Frankfurt in der Langen Straße ein. Am 23. Juli versuchte er, gewaltsam in das Haus seiner Frau einzudringen; zwei Tage später bezog er wieder ein Zimmer im Haus unter Polizeischutz; Luise Christiane nahm ihn widerwillig auf, nachdem klar war, dass Grabbe nicht mehr lange leben würde. Trotzdem reichte sie am 6. August beim Konsistorium die Scheidung ein. Zur Verhandlung und Ausführung kam es nicht, da Grabbe am 12. September im Clostermeierschen Haus starb.[4]

Nach Grabbes Tod

Nach Grabbes Tod erhielt Luise Christiane immer wieder Besuch von literarisch interessierten Gästen.

1838 erschien die Grabbe-Biographie von Duller, die erkennbar auf Luise Christianes Auskünften beruhte und ihre einseitige Perspektive auf Grabbe teilte. Da dort die Darstellung von Grabbes Sterbestunde ein schlechtes Licht auf Grabbes Mutter warf, erregte die Veröffentlichung heftige Kritik, unter anderem im August 1838 im Lippischen Magazin.[5] Sie strengte einen Prozess gegen den Verfasser an, den sie jedoch verlor.

Sie selbst reiste im Sommer 1841 nach Mannheim und Darmstadt und traf bei dieser Gelegenheit Freiligrath und den Schriftsteller Duller, um mit ihnen über die Möglichkeit zu reden, eine Gesamtausgabe von Grabbes Werken zu veranstalten; im Winter 1841/42 reiste sie aus dem gleichen Grund zum Verleger Schreiner nach Düsseldorf. Im Urteil Broers richtete Luise Christiane »sich in der Rolle der Dichter-Witwe gut ein«.[6]

Sie starb am 15. Oktober 1848 in Detmold. Beigesetzt wurde sie, wie ihr Mann, auf dem Weinbergfriedhof. Mit ihrem Testament bestimmte sie ihr Vermögen zum Grundstock der Clostermeier-Stiftung, die Studenten der Fächerkombination Jura und Geschichte zugute kommen sollte.

Persönlichkeit

Als erwachsene Frau beschreibt sie Grabbes Biograph Ziegler: »Sie hatte nämlich […] blendende körperliche Vorzüge, ein schönes Auge und einen üppigen Wuchs, und besaß Klugheit und Beredsamkeit, welche allerdings bezaubern konnte, zumal wenn das Herrschsüchtige und Männliche ihres Wesens sich bei ihr in zärtlichen Schmeichelton verlor, oder derjenige, welcher ihr gegenüber stand, doch gerade kein Auge für jenes hatte.« Levin Schücking, der sie 1839 kennenlernte, beschrieb die Begegnung mit ihr in seinen Lebenserinnerungen weniger positiv: »Sie machte einen nicht angenehmen Eindruck, die kleine wohlgenährte, überaus lebhafte Frau mit ihrer miellieusen Beredsamkeit: wie von einer aus ihren Angeln geworfenen und mit Leidenschaftlichkeit gepaarten ordinären Natur; und es trug Alles umher das Gepräge erdrückender Kleinbürgerlichkeit.«[7] Ignaz Hub, der sie 1839 besuchte, beschrieb sie als »leidlich hübsche Brünette, ihr Gesichtsausdruck hatte viel Einnehmendes, verriet Wohlwollen, aber auch Willensstärke; sie war lebhaft und geistreich«.[8] Broer urteilt zusammenfassend, Luise Christiane sei, indem sie von manchen nach dem »wohl zu allen Zeiten charakteristischen Bild der alten Jungfer: ängstlich, verschroben, mißtrauisch, egozentrisch u.a.« gezeichnet sei, »zu großen Teilen ein Opfer der unvollkommenen Emanzipation der Frau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts«.[9]

Werke

Selbständige Veröffentlichungen

  • Ein Briefwechsel zwischen Louise Christiane Clostermeier und Gustav Klemm / hrsg. von Alfred Bergmann. - Detmold : Schnelle, 1940. - 39 S. : Ill. - (Grabbe-Privatdrucke ; 4). - 02-GA 36.1940 Literaturarchiv. - https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:51:1-23090
  • Louise Christiane Grabbes Briefwechsel mit Jakob Stang, Karl Immermann und Carl Georg Schreiner in Düsseldorf / nach den bisher unbekannten Hss. hrsg. von Alfred Bergmann. - [Berlin] : [Ebering], 1933. - Als Ms. gedr. - 70 S. - (Grabbe-Privatdrucke ; 2). - 02-LC 232-2 - https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:51:1-23087
  • Ferdinand Freiligraths Briefwechsel mit der Familie Clostermeier in Detmold : insbesondere mit Louise Christiane, der späteren Gattin Grabbes / hrsg. von Alfred Bergmann. - Detmold, 1953. - 192 S. : Ill. - ZXWF 157 - http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:51:1-23618


Literatur

Lippische Bibliographie I 439, 700, 1126, 1153, II 7070, 9879, 11191, 11220-11220a, 11551-11555

Weblinks

Status der Seite

Quelle:

23.8.2024 angelegt

Fußnoten

  1. Ähnlich Broer 1994, S. 103. https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/periodical/pageview/7604838.
  2. Broer 1994, S. 107.
  3. Broer 1994, S. 113. https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/periodical/pageview/7604848
  4. Von der Sterbeszene gibt es ebenfalls einander widersprechende Schilderungen, vgl. Broer ...
  5. Lippisches Magazin
  6. Broer 1994, S. 111. https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/periodical/pageview/7604846.
  7. Schücking, zitiert nach Freiligraths Briefwechsel mit der Familie Clostermeier, S. 12. https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/content/pageview/8141405.
  8. Zitiert nach: Zeitgenosse, S. 210 mit Anm. 371.
  9. Broer 1994, S. 115. - Dieses Urteil erscheint auch angemessener als Bergmanns, der Luise Christiane übelzunehmen scheint, dass Sie Grabbes Genialität nicht nach Kräften unterstützt hat.