Grabbe, Dorothea (1765-1850): Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 26. September 2022, 13:48 Uhr

Dorothea Grabbe geb. Grüttemeier (* November 1765 in Hiddesen; † 2. Oktober 1850 in Bösingfeld) war die Mutter des Dichters Christian Dietrich Grabbe.

GND http://d-nb.info/gnd/116823208
Andere Namen
  • Grüttemeier, Dorothea (Geburtsname)
  • Amalia Cathrina Dorothea (alle Vornamen)
Geburtsdatum November 1765
Geburtsort Hiddesen
Sterbedatum 2.10.1850
Sterbeort Bösingfeld
Bekannt als (Tätigkeitsfeld)
Lippe-Bezug
Beziehung zu Personen
Beziehung zu Institutionen
Wikipedia Kein Eintrag

Leben

Autor: Alfred Bergmann

Herkunft und Leben

Was über den äußeren Lebensgang der Mutter des Dichters zu sagen ist, das ist mit wenigen Sätzen zu berichten. Ebenso wie ihr Mann, der Zuchtmeister, so stammte auch sie aus einem alten lippischen Bauerngeschlecht, ebenso wie diejenigen Adolph Heinrich Grabbes, so gehörten auch ihre Vorfahren zu den wirtschaftlich und gesellschaftlich tiefstehenden Schichten; ebensowenig wie dort finden sich in ihrer Ahnenreihe irgendwelche Persönlichkeiten, die sich durch Leistungen des Geistes oder der Phantasie hervorgetan hätten und mit einer solchen Begabung auf das künftige Dichtertum des Nachfahren hindeuteten, mit dessen meteorartiger Erscheinung beide Linien ihr Ende finden. Gleichwohl ist man zu der Annahme berechtigt, dass die von der Mutter her überkommende Erbmasse für die dichterische Persönlichkeit Grabbes die bestimmende gewesen sei.

Dorotheas Elternhaus hat in Hiddesen gestanden, einem Dorf, das eine halbe Fußwegstunde von Detmold entfernt lag. Ihr Vater war der Einlieger Johann Christoph Grüttemeier. Dieser hatte, nachdem er in sein fünfundzwanzigstes Lebensjahr eingetreten war, Cunigunda Friderica Huncke geheiratet, die im selben Ort wohnte. Sie gebar ihm, als das dritte von sieben nachweisbaren Kindern, Amalia Cathrina Dorothea, die am 10. November 1765 getauft worden ist. Da der kleine Hof Christoph Grüttemeiers, wiewohl dieser auch das Gewerbe eines Schreiners betrieb, die vielen Kinder nicht ernähren konnte, so war Dorothea gezwungen, in fremde Dienste zu gehen. Sie fand Stellung bei Franz Konrad Krohn, Ratsapotheker und preußischer Postmeister in Lemgo. Bei diesem ist sie sechs Jahre gewesen. Am 21. April 1793 verheiratete sie sich mit Adolph Henrich Grabbe. Im Mai 1801 siedelte sie mit ihm, der den Posten eines Zuchtmeisters erhalten hatte, nach der Residenz über. Am 11. Dezember 1801 schenkte sie einem Sohn das Leben, der auf die Namen Dietrich Christian getauft wurde.

Bis zu dem am 15. Dezember 1832 erfolgten Tod ihres Mannes hat sich nun Dorotheas Leben ohne bemerkenswerte äußere Ereignisse auf dem Detmolder Zuchthof abgespielt. Dieses Leben ist ein stetes Mühen und Arbeiten gewesen, zumal es durch Zeiten bitterer Not und Teuerung geführt hat, aber es erhielt seinen Inhalt und seinen tieferen Sinn durch die stets sich gleichbleibende Liebe und Fürsorge für den hochbegabten Sohn, der ich einziger bleiben sollte.

Persönlichkeit

In ihren späteren Jahren erscheint Grabbes Mutter allen denen, die sie gekannt haben und frei von Vorurteilen waren, als eine „brave tüchtige Bürgersfrau“, so schildert sie Ferdinand Freiligrath in einem seiner Briefe an Oscar Blumenthal. Karl Stockmeier, Pfarrer in Bad Meinberg, der zu ihrer Verteidigung gegen die Verfälschungen und Verleumdungen der Dullerschen Biographie Grabbes das Wort ergriff, konstatiert, dass dieser „ganz entschieden seine zwar ungebildete aber energisch-lebendige und aufopferungsfähige Mutter geliebt“ habe und dass es ordentlich rührend anzusehen sei, wie diese in der Erinnerung an ihren Sohn wieder auflebe. Endlich bezeugte Moritz Leopold Petri, der Klassenkamerad und treue Freund des Dichters, noch kurz vor seinem Tode dem soeben genannten Begründer der Grabbe Philologie Blumenthal, als dieser in Detmold weilte, dass Dorothea eine „durchaus redliche, tüchtige und achtungswürdige Frau“ gewesen sei. Die eingehendste Schilderung ihrer äußeren Erscheinung und ihrer Wesensart verdanken wir Karl Ziegler. Grabbes Mutter, so schreibt dieser, „eine starke, hochgebaute Frau, die in ihrer Jugend schön gewesen sein“ solle, stelle „in ihrer weißen Piquetmütze und ihrem breitgesteckten Tuche eine repräsentable Bürgersfrau dar“. Ihre „noch jetzt ausdrucksvollen Züge und helle Augen“ deuteten „sehr viel Energie und Willenskraft“ an. So soll sie von jeher in ihrem häuslichen Kreise das Regiment geführt haben, was aber auf eine honette und solide Weise geschehen sei, „nicht ohne fühlendes Herz für Andere, welche der Hülfe bedurften“. Diese Eigenschaften befähigten sie, ihrem Gatten bei seinem nicht leichten Dienst als Zuchtmeister und Verwalter der Leihbank vielfach beizustehen, schlossen aber auf der anderen Seite nicht aus, dass sie zu Zeiten recht weich und leicht zu Tränen gerührt sein konnte. Als eine, dieses günstige Bild ein wenig einschränkende Eigentümlichkeit hebt dann Ziegler noch hervor, dass ihr „etwas Leidenschaftliches und Hastiges eigen“ sei, „weswegen sie manchmal auf Erfüllung wunderlicher Einbildugnen, die sie sich in den Kopf gesetzt“ habe, mit Beharrlichkeit bestehen könne.

Dorotheas Bedeutung für Bestimmung und Schicksal ihres Sohnes muss man in zwei Momenten erblicken. Zunächst ist bemerkenswert, dass zwei der Mitlebenden, die beide Mutter und Sohn gekannt haben, die Ansicht aussprechen, dass dieser von jener her auf eine bestimmte Art belastet sei. Es sind Clostermeier und Ziegler. Der Archivrat bemerkte im Charakter des angehenden Studenten der Rechtswissenschaften einen bizarren Zug, nämlich eine „unbeschreibliche Menschenscheu“, und er vermutete darin ein Erbteil der Mutter. Auch Ziegler fand einen solchen inneren Zusammenhang im Negativen, wollte ihn aber, anders als Clostermeier, darin erkennen, dass dem Sohn „ein guter Theil Barockheit und Starrsinn“ von der Mutter angeboren sei, „wie er ihr andererseits die weibliche Erregbarkeit und Beweglichkeit“ verdanke, die ihm beiwohnten.

Das zweite Moment ist der unmittelbare Einfluss, den die Mutter durch die Art und Weise ihrer Erziehung oder Nicht-Erziehung auf den Heranwachsenden ausübte, ist die Kehrseite der innigen Liebe, mit der sie den zarten und sensiblen Knaben umsorgte. Nach Zieglers anschaulicher Schilderung können wir uns eine lebendige Vorstellung davon machen, wie Dorothea in der Familienstube mit Ungeduld des aus der Schule Zurückkehrenden wartete und ihn sodann, wenn er am großen, altmodischen runden Tische neben dem Ofen saß, der wie ein großes Vorgebirge in die weite, gewölbeartige Stube hineinragte, mit Kaffee, Butterbrot oder armen Rittern pflegte und verwöhnte, oder ihm den Kaffee warmsetzte, wenn er bis tief in die Nacht hinein über seinen Büchern wachblieb. Später mochte ihr dann selbst die Erkenntnis gekommen sein, dass sie dabei manches versehen habe. Klingt es doch wie eine Selbstanklage, wenn sie bekennt, dass sie ihr Kind „sozusagen mehr wie zuviel geliebt“ habe; damit Zieglers Meinung bestätigend, es möchte wohl die Mutter nicht ganz frei davon sein, den Knaben in seiner frühen Jugend verzärtelt und ihm zuviel zugute gehalten zu haben. Dazu kam nun, dass ihr, wie der Biograph sich ausdrückt, „keine höhere geistige Bildung aufgegangen“ war. In der Tat war ihr die Kunst des Schreibens fremd geblieben; die beiden von ihr erhaltenen Briefe sind nicht von ihr selbst geschrieben, sondern von ihrer Pflegetochter Wilhelmine Wallbaum. So mag es sein, dass abergläubige Vorstellungen ihrer Kreise, in denen sie befangen war, bei ihren Versuchen, die geistige und auch die körperliche Entwicklung ihres Sohnes zu fördern, eine nicht unbedenkliche Rolle gespielt haben.

Alter und Tod

Dorothea Grabbe hat das große Glück erfahren, den Aufstieg des geliebten Sohnes zu Ansehen und Ruhm miterleben zu könenn. Dafür ist ihr der Schmerz nicht erspart geblieben, Zeugin seines Todes und seines schweren Todeskampfes zu sein. Zieglers (einer kritischen Prüfung standhaltenden) Schilderung des Abschiedes von Mutter und Sohn gehört zu den erschütterndsten Berichten über die letzten Augenblicke eines Sterbenden.

Nachher hat Dorothea Grabbe noch vierzehn Jahre gelebt. Als sie Witwe geworden war, hatte Wilhelmine, mit einem Sergeanten Kreymeyer verheiratet, die alte Frau bei sich aufgenommen. Mit ihnen ist sie später nach Bösingfeld übergesiedelt und daselbst am 2. Oktober 1850 gestorben. Ihre Beisetzung aber ist in Detmold erfolgt, wo sich ihr Grab auf dem alten Friedhof an der Weinbergstraße neben dem ihres Sohnes noch heute befindet.


Literatur

  • Karl Ziegler, Grabbes Leben und Charakter. Hamburg : Hoffmann und Campe, 1855.
  • Alfred Bergmann: Die Vorfahren Christian Dietrich Grabbes. Detmold : Meyer, 1937, S. 61ff.
https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:51:1-22968

Weblinks

Status der Seite

Quelle: Alfred Bergmann, "Dorothea Grabbe". Typoskript im Nachlass, Slg 12 Nr. 888.

26.09.2022 angelegt

Fußnoten