Friese, Dora (1883-1965)

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Dora Friese mit vier Löwen in der Manege, um 1910
Foto: Privatbesitz

Dora Friese geb. Sewald (* 15. Oktober 1883 in Fürth; † 29. Oktober 1965 in Lemgo) war Schaustellerin und Löwendompteurin.

GND http://d-nb.info/gnd/189410604
Andere Namen Dorothea Sewald (Geburstname)
Geburtsdatum 15.10.1883
Geburtsort Fürth
Sterbedatum 29.10.1965
Sterbeort Lemgo
Bekannt als (Tätigkeitsfeld) Schaustellerin, Dompteuse
Lippe-Bezug seit 1906 regelmäßig, dann dauerhaft in Lemgo
Beziehung zu Personen
Beziehung zu Institutionen
Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Dora_Friese

Leben

von Sonja Girod

Dorothea Sewald wurde am 15. Okotber 1883 als Tochter des Kasperltheaterbesitzer Max Sewald und seiner Frau Katharina, geborene Meyer in Fürth geboren. Sie hatte vier Brüder.

Der Familienbetrieb Friese

Nach dem Tod ihres Vaters (1902) heiratete Dora 1903 den zwölf Jahre älteren Emil Friese. Emil Friese kam aus Neustadt im Regierungsbezirk Danzig und stammte aus einer evangelischen Familie. Die Menagerie der Familie Friese beherbergte Löwen, Leoparden, Panther, Eisbären, Affen, Krokodile, Schlangen und Papageien. Im Jahr 1860 gegründet, erbte Emil Friese vermutlich Ende des 19. Jahrhunderts das Geschäft von seinem Vater.

Im Frühjahr 1903 gingen Dora und Emil Friese zusammen mit Camilla Friese (Schwester von Emil), Dominikus Sewald (Bruder von Dora), dem Dompteur Schulze und drei Arbeitern auf ihre erste gemeinsame Reise. Den Umgang mit Raubtieren und die Geheimnisse der Dressur lernte Dora Friese im Laufe des Jahres 1903 vor allem von der Dompteurin Martha Fach und dem Dompteur Schulze. Beide gehörten zur Menagerie Friese. Dora lernte zunächst die Grundlagen der Dressur und begann dann selbst Tiere auszubilden und sich eigene Nummern zusammen zu stellen. Es ist wahrscheinlich, dass sie bereits nach kurzer Zeit die Dressurgruppe von Martha Fach übernahm.

Am 3. Januar 1904 wurde der erste Sohn von Dora und Emil geboren – Alexander Friese. Jedes Jahr waren Emil und Dora Friese von Ostern bis Ende Oktober mit der Menagerie auf Reisen. Neben Emils Schwester Camilla, reiste Doras Bruder Dominikus und der Dompteur Schulze mit. Außerdem waren immer zwei bis drei Arbeiter, die auf der Reise gebraucht wurden, mit dabei. Die Familie lebte und schlief in einem Wohnwagen. Ein weiterer Wagen beinhaltete den Zentralkäfig, die Holzteile, die Leinwand und diverse Gerätschaften. Die beiden anderen Wagen dienten zur Unterbringung der Tiere.

In dem Familienbetrieb hatte jeder seine festen Aufgaben: Dora versorgte die Tiere, führte die Dressuren vor und erklärte dem Publikum, woher die Tiere kommen und welche Eigenarten sie haben. Gemeinsam mit ihrem Bruder säuberte Dora außerdem die Käfige der Tiere.

Seit 1906 bezog die Familie Friese regelmäßig ihr Winterquartier auf dem Schützenplatz in Lemgo. Am 16. Januar 1907 wurde ihr zweiter Sohn Sam Friese geboren.

Doras Aufgaben im Familienbetrieb

Schaustellerfamilie Friese um 1930: v.r. Sam Friese, ein Arbeiter, Dora Friese, Dominikus Sewald (stehend), Alex und Klara Friese, drei Arbeiter
Foto: Privatbesitz

Der Tagesablauf von Dora folgte ebenso einem festen Rhythmus: Sie stand gegen 8 Uhr auf, kümmerte sich um die Kinder und es gab ein gemeinsames Frühstück. Danach reinigte sie die Käfige und versorgte die Tiere. Die Affen waren Doras Lieblinge und kamen immer zuerst dran. Dann wurden die Papageien, die Krokodile und Schlangen und zuletzt die Raubtiere versorgt. Dora kochte im Anschluss für die ganze Familie und die Arbeiter das Mittagessen. Dieses wurde gemeinsam verzehrt, bevor um 14.00 Uhr die Menagerie eröffnet wurde. Am Nachmittag und Abend waren alle mit den Vorstellungen beschäftigt, die bis spät abends dauerten. Dora übernahm die »Rekommandation« – sie rief vor der Schaubude die Menschen zusammen und pries die Tierschau an, um möglichst viele Gäste zu werben. Es gelang ihr besonders gut, den Menschen die Angst vor den wilden Tieren zu nehmen und die Neugier und Faszination auf die Schau zu wecken.

Modernisierung des Schaustellergeschäfts

Um 1910 wurde das Schaustellergeschäft der Familie Friese modernisiert: eine der ersten Dampfmaschinen der damaligen Zeit wurde angeschafft – diese diente der Stromerzeugung und gleichzeitig als Trecker.

Der erste Weltkrieg

Dora Friese hatte zur Mahnung an ihr Publikum ihren Wahlspruch im Zentralkäfig angebracht: „Leicht ist der Tadel, gefährlich diese Kunst.“
Postkarte, um 1915, Privatbesitz

In der Vorkriegszeit des Ersten Weltkrieges war an Schaustellungen nicht mehr zu denken. Die Festplätze waren leer, die wehrfähigen Männer wurden eingezogen, Volksfeste verboten und die Reisefreiheit erheblich eingeschränkt. Dora Friese hatte sich jedoch in den vergangenen Jahren einen Namen auf Jahrmärkten und darüber hinaus gemacht, so dass sie auch Engagements im Zirkus und im Varieté bekam. So gab sie im Jahr 1914 ein Gastspiel in Russland und wurde von ihrer ganzen Familie begleitet. Im August waren ihr Mann Emil und ihr Bruder Dominikus als potentielle Staatsfeinde von den Russen interniert worden. Dora blieb frei und trat im September noch einmal auf einer Benefiz-Veranstaltung auf. Mit den Einnahmen der Tournee gelang es ihr, ihren Mann freizukaufen. Dominikus blieb etwa vier Jahre in Gefangenschaft. Dora kehrte mit ihrem Mann und den Kindern nach Lemgo zurück. Im Jahr 1915 hatte sie ein weiteres Engagement, diesmal beim Cirkus Adolfi in Schweden.

Seit 1914 lebten die Frieses ständig auf dem Schützenplatz in Lemgo. Die Winter während des Ersten Weltkrieges waren kalt, die Wohnsituation beengt und es gab keinerlei Komfort. Die Söhne wurden älter, wollten mehr Bewegungsfreiheit und gleichzeitig Raum für sich. Und nicht zuletzt die Tiere froren während der Wintermonate. Vor allem die Affen und die Schlangen vertrugen die Kälte nicht. Der Affenwagen wurde beheizt und die Schlangen mit Wärmflaschen warmgehalten.

Von einem Lemgoer Freund, der Emil Friese Geld schuldete, bekam die Familie schließlich im September 1916 das Haus am Hohen Wall 20 überschrieben. Das Haus war groß genug für alle und wurde zum Teil sogar noch vermietet. Auf dem Grundstück konnten die Tiere untergebracht und die Wagen abgestellt werden.

Während der Kriegsjahre wurden die finanziellen Rücklagen der Familie immer weniger, so dass eine neue Möglichkeit gefunden werden musste, um Geld zu verdienen. Da bauten die Frieses ein Zelt auf, spannten darin eine Leinwand und brachten den Kinematograph zum Einsatz, den sie 1908 gemeinsam mit einem Freund gekauft hatten.

Die Kunst der Dressur

Dora war bald vertraut mit den Tieren, die zur Menagerie gehörten. Sie kannte deren unterschiedlichen Fähigkeiten und brachte ihnen Kunststücke bei oder arbeitete mit den Tieren in einer Gruppe zusammen. Die Kostüme, die Dora während ihrer Dressuren trug, entwarf und nähte sie selber. Das Nähen und Besticken von Stoffen hatte sie als Kind im Geschäft ihrer Eltern gelernt.

Vor allem die Arbeit mit verschiedenen Tieren innerhalb einer Gruppe war herausfordernd und setzte eine besonders gute Beobachtungsgabe der Dompteurin voraus. Dora arbeitete mit Löwen, Tigern, Panthern und Eisbären. Eisbären galten bis zur Jahrhundertwende als dressurunfähig. Und auch Dora empfand die Dressur der weißen Bären als besonders schwierig und gefährlich. Die Körpersprache und Mimik der Tiere ließen nicht erkennen, ob und wann sie angreifen werden. Wildkatzen waren dagegen leicht einzuschätzen, jedoch nicht weniger gefährlich.

In der Manege wirkte die Dressur der Löwen und Leoparden leicht und elegant. Dora strahlte Sicherheit aus und bewegte sich mit einer Leichtigkeit, die nicht erkennen ließ, wieviel Krafteinsatz die Dressur sie kostete. Wie gefährlich die Arbeit mit den Raubieren dennoch war erlebte auch Dora am eigenen Körper. Beim Spielen mit einem Löwen wurde sie in die linke Hand gebissen und hatte seitdem einen krummen Finger.

Weit schlimmer war der Unfall, den Alexander Friese Anfang der dreißiger Jahre hatte: Beim Füttern eines Eisbären wurde ihm ein Arm abgerissen. Das Unglück erschütterte die Familie schwer.

Nach dem Ende des ersten Weltkriegs

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs entwickelt die Schaustellerfamilie neue Geschäftsideen: ein Auto-Karusell und das „Teufelsrad“ wurden angeschafft.

Emil Friese starb am 17. Januar 1927 und Dora erbte das Geschäft.

Der Zweite Weltkrieg

Bereits um 1933 war Alexander Friese der SA beigetreten. Sam Friese und seine Frau Maria gründeten einen eigenen Schaustellerbetrieb und gingen um 1937 allein auf Reisen. Nach dem Ausbruch des Krieges blieb Dora allein in Lemgo, gab das Reisen auf und löste die Menagerie auf.

Dora erlebte den Einmarsch der Amerikaner in Lemgo. Sie lebte bis zu ihrem Tod in dem Haus am Hohen Wall 20. Seit 1955 lebte Leni, die Tochter von Sam und Maria, die meiste Zeit des Jahres bei ihrer Großmutter Dora. Am 29. Oktober 1965 starb Dora Friese im Alter von 82 Jahren.

Literatur

  • Grubitzsch, Helga: »Was für eine Frau!« : Dora Friese, Löwenbändigerin. - In: Ann Brünink, Helga Grubitzsch (Hg.): Was für eine Frau!: Portraits aus Ostwestfalen-Lippe. - Bielefeld: Westfalen-Verl, 1992. - 300 S. : Ill. - S. 211-232. - 01-18.20.1471 - http://www.westfaelische-geschichte.de/per672
  • Engelhardt, Thorsten: Die Schöne und die Bestien : Die Geschichte von Dora Friese aus Lemgo ; Erinnerungen an eine der größten Dompteusen ihrer Zeit. - In: Lippische Landes-Zeitung. - 239 (2005),136 vom 15.6., S. 9 : Ill.
  • Kantelberg, Katrin: Die wilde Welt der Dora Friese : Anfang des vergangenen Jahrhunderts begeisterte die Lemgoer Dompteuse Menschen in ganz Europa mit ihren Raubtier-Dressuren : eine Ausstellung im Hexenbürgermeisterhaus erinnert an die Frau, die mit ihren wilden Tieren auch in Lemgo für Aufsehen sorgte. - In: Lippische Landes-Zeitung. - 258 (2024),40 vom 16.2., Seite 17 : 1 Fotografie

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Quelle: Originalbeitrag

17.6.2024 angelegt

Fußnoten