Detmold-Pivitsheide V. L.
Autor: Herbert Stöwer
Pivitsheide V. L. ist seit 1970 ein Ortsteil der Stadt Detmold .
Pivitsheide V. L. | |
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GND | kein korrekter Eintrag |
Teil von | Stadt Detmold |
Wikipedia |
Geschichte
Historische Entwicklung | |
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Gemeindefläche | 6,87 qkm (1961); 8,14 qkm (1968) |
Ehemaliges Amt | Amt Detmold, Vogtei Lage, (bis 1823); Amt Lage, Vogtei Lage (1823-1879) |
Kirchengemeinde | Lage und Stapelage (1875 und früher) |
Einwohnerzahl | 109 (1609), 550 (1776), 2.005 (1939), 2.720 (1950), 3.589 (1968), 5.619 (1991), 6.252 (2000), 6.416 (2004), 6459 (2006) |
Die Erwähnung einer »Mollenhove« an der Retlage im Jahre 1466, die 1542 Wiemann gehörte, bezieht sich nicht auf die Retlager Mühle in Pivitsheide V. L., sondern eher auf eine ausgegangene früh- bis hochmittelalterliche Siedlung am Ufer eines Altarms der Retlage, die bei archäologischen Ausgrabungen im Zusammenhang mit dem Kiesabbau entdeckt worden ist. Bei den Ausgrabungen konnte auch der Standort einer Mühle ermittelt werden. Diese Mühle kann vielleicht als ein Vorläufer der nach dem Verlassen der Siedlung in Pivitsheide V. L. erbauten Retlager Mühle angesehen werden. Der alte Frankfurter Weg verlief ursprünglich durch die Dörenschlucht an der Retlage entlang über Hiddentrup nach Lage. Das »-heide«-Gebiet war im Mittelalter unbesiedelt.
Die ältesten Hofstätten in Pivitsheide V. L. sind in den Landschatzregistern ab 1562 zunächst unter Hüntrup mit der Lagebezeichnung »uppem Hesenberg« zu ermitteln, erscheinen 1572 nach Hiddentrup unter dem selbstständigen Ortsnamen »upm Heisenberge« mit den Hofnamen »Warnneke« und »Kriger Hermenn«. In der Folge bleibt bis heute der Hofname Heißenberg in der Lageschen Pivitsheide erhalten. Eine eindeutige Erklärung für den Ortsnamen Pivitsheide gibt es bisher nicht. Es herrscht die Meinung vor, dass der Kiebitz namengebend gewesen ist. Doch war für weniger fruchtbares Land, was für Pivitsheide in weiten Teilen zutreffend wäre, auch die Bezeichnung »Pivitsland« im Gegensatz zu »Kleiland« als fruchtbares Land gebräuchlich. Für den Hof Heißenberg (Nr. 14) ist die Besonderheit festzustellen, dass er nicht wie die später seit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts angesiedelten jüngeren Hofstätten in Pivitsheide V. L. zur Kirchengemeinde Stapelage, sondern zur Pfarrei Lage gehörte. Es besteht daher kein Zweifel, dass die Anfänge der Besiedlung des Ortes hier zu suchen sind. Sein Landbesitz liegt an der Retlage und ähnelt in seiner Form einer Waldhufe. Sonst zeigt der Ort in seiner Struktur die Merkmale einer typischen Streusiedlung.
Nach der Donopschen Landesbeschreibung von 1790 soll sich in Pivitsheide einst ein Fichtenwald befunden haben: »als wovon die alten Stämme dieser Art Bäume noch zeugen, welche die neuen Anbauer hierselbst in den einzelnen Sümpfen nach und nach auffinden.« Sicherlich handelt es sich um ein Heide- und Hudegebiet, dessen Siedlungsbeginn bis zum ausgehenden 16. Jahrhundert zurückreicht. Erst später erfolgte die Besiedlung der Hudegebiete »Auf der Kussel«, deren Restbestand erst 1855 aufgeteilt worden ist und Bauflächen für Neusiedler bereitstellte. Ein Nebenverdienst für die Ansiedler, die mit geringem Grundbesitz ausgestattet wurden, war die Leineweberei. Erstaunlicherweise wurde auf der Retlage im 18. Jahrhundert auch Holzflößerei betrieben.
Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaft
In Pivitsheide V. L. befanden sich 1781 neben der herrschaftlichen Retlager Mühle (1772 General von Loßberg) 83 Stätten, die alle den geringeren Besitzerklassen angehörten, darunter 3 Kleinkötter, 80 Hoppenplöcker und Straßenkötter. In der Landesbeschreibung von 1786 wird auch eine Schule in Pivitsheide erwähnt. 1776 verzeichnete man an nichtbäuerlichen Tätigkeiten: 1 Krüger, 1 Reipschläger, 1 Schmied, 1 Bauerrichter, 1 Diener, 1 Schäfer. 51 Personen spannen, 13 bettelten. Auf dem Zenit der Wanderarbeit 1905 war der Anteil der Wanderarbeiter an der Gesamtzahl der männlichen Bevölkerung in Pivitsheide V. L. mit 41,15% sehr hoch. Wesentliche wirtschaftliche Fortschritte brachte die bessere verkehrsmäßige Anbindung, die zunächst mit dem Bahnhof Nienhagen der Eisenbahnlinie Herford-Detmold, 1928 mit der Elektrischen Straßenbahn bis zum Eichenkrug erfolgte, die dann zum Teil auch die Ausrichtung des Ortes von Lage nach Detmold verschob. Der Straßenbahnverkehr wurde 1954 auf Buslinien der Deutschen Bundespost umgestellt. Ungleich wichtiger war der Ausbau der Straßenverbindung zur Autobahn und nach Bielefeld.
1961 zählte man in Pivitsheide V. L. 117 nichtlandwirtschaftliche Arbeitsstätten mit 481 Beschäftigten, die überwiegend dem produzierenden Gewerbe zuzurechnen waren. Neben einer holzverarbeitenden Fabrik ließen sich im Ort auch eine Maschinenfabrik und eine Markisenfabrik nieder. Die Gemeindefläche wurde bei Auflösung der selbstständigen Forstbezirke bis zum Ehberg vergrößert. Bis zur Verwaltungsreform im Jahre 1970, als Pivitsheide V. L. der Stadt Detmold angegliedert wurde, gehörte ein Anteil an der Senne, die sogenannte Pivitsheider Senne, zur Gemeinde, wurde dann aber der Gemeinde Augustdorf zugeschlagen.
Von 1989 bis 1996 unterhielt die verbotene Nationalistische Front (NF) in Pivitsheide V. L. eine zentrale Ausbildungsstätte für rechtsradikale Kreise sowie einen Verlag für neonazistisches Propagandamaterial, bis Bürgerinitiativen und Demonstrationen, unterstützt von den Medien, schließlich die Auflösung bewirkten.
Kommunale Neugliederung
Struktur
Religiöse Gemeinschaften
Am 1. April 1942 wurde aus Teilen der Kirchengemeinde Heiden und Stapelage die Kirchengemeinde Pivitsheide gebildet, bestehend aus Pivitsheide V. H. und V. L. Ein neues evangelisches Gotteshaus wurde 1966, eine katholische Kirche »Heilig Geist« 1964 gebaut. Seit April / Mai 1997 erscheint »Die Brücke«, herausgegeben von der katholischen Kirchengemeinde Heilig Geist und der ev.-ref. Kirchengemeinde Pivitsheide. Es handelt sich um den ersten ökumenischen Gemeindebrief in der Lippischen Landeskirche. Die »Evangelische Freie Gemeinde« übernahm das ehemalige, 1929 erbaute Gemeindehaus der ev.-ref. Kirchengemeinde. Ein eigenes Gotteshaus besitzt auch die Neuapostolische Gemeinde. Das alte Schulgebäude wurde 1955 von der Schlachterei Jobst gekauft.
Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten
- Retlager Quellen mit mesolithischen Fundstellen
- Gebirgsübergang durch die Dörenschlucht mit Spuren alter Wege und Resten einer spätmittelalterlichen Landwehr (alter Passübergang)
- Retlager Mühlenteich
- Ev.-ref. Kirche von 1966, Abendmahlskelch von 1761
- Fachwerkhäuser
- Kötterhaus von 1730 (vormals Pivitsheide Nr. 385, vorher zu Nr. 41), abgebaut 1967 vom LWL Freilichtmuseum Detmold, 1998 bis 2001 vom LWL Industriemuseum Lage wieder aufgebaut, s. Lage-Hagen)
- Zwetschgenkirmes
- Kusseler Ball
Literatur
Alte Ansichten und Pläne
- Karte der Retlage von der Quelle bis zur Mündung in die Werre, 18. Jahrhundert [StAD].
Ortsgeschichte
- Friedrich Diekhof: Als auf der Kussel noch ein Windrad stand: Pivitsheide V.L. in alten Bildern und Erinnerungen. - Heimat- und Verkehrsverein Pivitsheide VL e.V. - Detmold: Topp + Möller, 2008. - 111 S. : zahlr. Ill., Kt. - ZXSP 104
- Friedrich Diekhof: Als die Oerlinghauser Str. noch Mittelstraße hieß: Pivitsheide V.L. in alten Bildern und Erinnerungen. - Detmold: Heimat- und Verkehrsverein Pivitsheide VL e.V, [2019]. - 127 Seiten : Illustrationen ; 1 Karte. - ZXSP 105
- Meier-Böke, August: Pivitsheide - Streusiedlung auf dem Sand. In: LLZ 188 Nr. 164, 17. Juli 1954 (Neuauflage 2001).
- Meier-Böke, August: Holzflößer auf der Pivitsheide. In: Lippische Blätter für Heimatkunde, Nr. 4 (1950), 8. 13-14.
s. auch Meier-Böke, 2001
- (Quelle) Herbert Stöwer: Lippische Ortsgeschichte : Handbuch der Städte und Gemeinden des ehemaligen Kreises Detmold. - Lemgo: Landesverband Lippe, 2008. - 600 S. : zahlr. Ill., Kt. - ZXIU 101. - S. XXX
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Quelle: Stöwer 2008
1.10.2024 angelegt