Bergmann, Alfred (1887-1975)
Dr. phil. Alfred Bergmann (* 23. Juli 1887 in Waldheim (Sachsen); † 19. Juli 1975 in Detmold) war Bibliothekar, Literaturwissenschaftler und Grabbe-Forscher.
GND | https://d-nb.info/gnd/119243229 |
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Andere Namen | |
Geburtsdatum | 23.7.1887 |
Geburtsort | Waldheim (Sachsen) |
Sterbedatum | 19.7.1975 |
Sterbeort | Detmold |
Bekannt als (Tätigkeitsfeld) | Bibliothekar, Grabbe-Forscher |
Lippe-Bezug | lebte und arbeitete ab 1938 in Detmold |
Beziehung zu Personen | |
Beziehung zu Institutionen |
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Wikipedia | Kein Eintrag |
Leben
von Joachim Eberhardt (2020)
Jugend und Studium
Alfred Bergmann wurde am 23.7.1887 in Waldheim in Sachsen geboren als Sohn des Kaufmann und Fabrikbesitzers Heinrich Richard Bergmann (1842-1916) und seiner Frau Jerta Liutgart geb. Wilhelm (†1921). Er hatte zwei Geschwister: eine ältere Schwester Lotte (1880-1930) und einen Zwillingsbruder Richard (†1968). Von 1898-1906 besuchte er das Annenrealgymnasium in Dresden, wo ihn sein Englischlehrer Otto Erler erstmals mit Grabbes Werk bekanntmachte. In seinen Erinnerungen hat Bergmann die Schulstunde lebendig geschildert, die für ihn „zur Schicksalsstunde“ wurde. Mit dem Reclamheft von Grabbes Herzog Theodor von Gothland für 40 Pfennige begann er anschließend seine Grabbe-Sammlung.
Eigentlich hätte der Fabrikantensohn gemäß dem elterlichen Willen in der Waldheimer Parfümerie- und Toilettenseifenfabrik arbeiten sollen, aber weil er keinen Geruchssinn besaß, stand einem Philologiestudium nichts im Wege. Nach dem Militärdienst als einjährig Freiwilliger (1906-1907) studierte Bergmann Germanistik, Anglistik und Geschichte in Freiburg im Breisgau, München und Berlin, ab 1909-1914 in Leipzig, u.a. bei Alfred Köster. In Kösters Oberseminar trat Bergmann das erste Mal als Grabbe-Forscher auf, indem er die der Öffentlichkeit bis dahin unbekannte erste Textfassung von Scherz, Satire, Ironie ... nach dem in seinem Besitz befindlichen Werkmanuskript präsentierte.
Tätigkeit in Weimar
Zum Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde Bergmann wieder Soldat und zum Leutnant der Reserve befördert, doch aus gesundheitlichen Gründen im Frühjahr 1917 entlassen. Als die Inflation Bergmanns ererbtes und erspartes Kapital verzehrte, war er gezwungen, sich einen Brotberuf zu suchen und seine Arbeit an einer Dissertation über Grabbe zu unterbrechen. 1923-1924 war er Volontär bei der Dresdener Bank. In der zweiten Jahreshälfte 1924 arbeitete er als Privatbibliothekar eines Dresdener Kaufmanns. Danach hatte Bergmann Glück, indem er weitere Tätigkeiten fand, die seinen Neigungen entsprachen. Ab dem 1.1.1925 durfte Bergmann in der Sammlung Kippenberg arbeiten – Anton Kippenberg war der Inhaber des Insel-Verlags und enthusiastischer Goethe-Sammler. Von 1928-1933 arbeitete er für die Thüringer Historische Kommission, zugleich wirkte er bis 1937 als Bibliothekar im Goethe- und Schillerarchiv in Weimar; seit 1933 war er zudem ehrenamtlich Schriftführer der Goethe-Gesellschaft. Im Jahre 1930 wurde er an der Universität Leipzig mit seiner Arbeit Die Glaubwürdigkeit der Zeugnisse für den Lebensgang und Charakter Christian Dietrich Grabbes zum Dr. phil. promoviert.
Währenddessen wuchs seine Grabbe-Sammlung stetig, so dass er sich 1936 mit einer umfangreichen Ausstellung an den Grabbe-Tagen in Detmold beteiligen konnte. 1937-38 arbeitete Bergmann wieder als Kurator für Kippenberg. Dabei verfolgte er weiter eine Lösung für sein großes Problem, nämlich private Sammeltätigkeit und Forschung am Werk Grabbes mit den Erfordernissen eines geregelten Lebensunterhalts unter einen Hut zu bringen. Als Lebensaufgabe erschien ihm die Erstellung einer historisch-kritischen Werkausgabe Grabbes.
Verkauf der Grabbe-Sammlung nach Lippe, Zeit bis 1945
Schließlich wirkte ein privater Umstand katalysierend: 1930 hatte Bergmann Maria Margarete Ernestine Werner geheiratet. Bereits 1935 wurde die Ehe wieder geschieden. Zwar war Bergmann Alleineigentümer seiner Sammlung, deren herausragender Wert ihm auch gern von dritter Seite bescheinigt wird, aber als Teil seines Vermögens war sie keineswegs vor der Pfändung zugunsten etwa der Unterhaltsansprüche seiner Exfrau geschützt. Entsprechend suchte Bergmann einen Modus der Veräußerung seiner Sammlung, die ihm zugleich die Möglichkeit der dauernden Arbeit darin erhielt. Das Interesse aus Lippe kam ihm gerade recht. Bergmann verband daher mit dem Verkauf seiner Sammlung an den Freistaat Lippe die Forderung nach einer bibliothekarischen Anstellung in der Landesbibliothek. Zwar konnte die gewünschte Verbeamtung nicht gewährt werden, aber als Angestellter trat er in lippische Dienste ein. Am 15.10.1938 wurde das „Grabbe-Archiv Alfred Bergmann“ in der Lippischen Landesbibliothek eingeweiht. 1939 heiratete Bergmann ein zweites Mal; seine Frau Emma geb. Reichle ist „Keramikerin“, wie es in einem Brief Bergmanns heißt. 1941 bekamen sie einen Sohn, der jedoch nach der Geburt starb.
Im November 1939 trat Bergmann in die NSDAP ein, ohne innere Beteiligung, jedoch im Gefühl, dass andernfalls seine Arbeit für Grabbe Nachteile haben könnte. Inhaltliche Zugeständnisse suchte er zu vermeiden. Die völkisch-nationale Ideologisierung Grabbes etwa eines Heinrich Hollo (Geschäftsführer der Grabbe-Gesellschaft) irritierte ihn. Während des Krieges arbeitete er an verschiedenen Publikationsprojekten, insbesondere auch an einer „Großen Ausgabe“ der Werke Grabbes, die mit staatlicher Förderung im Verlag Meyer in Detmold erscheinen sollte, und an einer kleineren Studienausgabe bei Reclam in Leipzig. Beide Pläne gerieten durch den Krieg ins Stocken; die Manuskripte zur Studienausgabe wurden in Leipzig vernichtet.
Kommissarischer Leiter der Lippischen Landesbibliothek 1945
Nach Kriegsende wurde Bergmann – wie erwähnt – vorübergehend kommissarischer Leiter der Lippischen Landesbibliothek, nachdem deren offizieller Chef Eduard Wiegand als überzeugter Nationalsozialist verhaftet worden war. Bergmann oblag neben der Rückführung der 1944 zu ihrem Schutz in ein Bergwerk ausgelagerten Bestände – darunter auch die Pretiosen des Grabbe-Archivs – vor allem die Vorbereitung der Wiederöffnung der Bibliothek, die im Januar 1946 erfolgte. Dazu musste er die Bestände von nationalsozialistischem und militaristischem Schriftgut „säubern“. Bergmann wertete die Übertragung der Aufgabe sicher zutreffend als Bestätigung dafür, dass ihn die britische Militärregierung für politisch unbescholten hielt.
Bergmann blieb im Dienst der Lippischen Landesbibliothek bis zu seiner Pensionierung 1952. Mit dem Kurs der Bibliothek nach dem Beitritt Lippes zu NRW war er nicht glücklich – zu wenig wissenschaftlich, zu sehr am breiten Publikumsinteresse orientiert.
Arbeit am Lebenswerk: Große Ausgabe und Bibliographie
Für die finanzielle Förderung einer historisch-kritischen Grabbe-Ausgabe gewann er schließlich die Göttinger Akademie der Wissenschaften, in deren Auftrag er – ganz allein arbeitend – 1960 den ersten von sechs Bänden erscheinen lassen konnte. Die weiteren Bände folgten 1961, 1963, 1966, 1970 und 1973; im gleichen Jahr erschien auch seine „Grabbe-Bibliographie“. Dem unermüdlichen Grabbe-Forscher war schon 1963 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen worden. 1968 wurde er durch das nordrhein-westfälische Kultusministerium zum Professor ehrenhalber ernannt, eine Ehrung, die der bescheidene Wissenschaftler zunächst für einen Scherz hielt.
Als Bergmann kurz vor Vollendung seines achtundachtzigsten Lebensjahrs am 19.7.1975 in Detmold starb, hatte er seine wesentlichen Ziele erreicht: Die „Große Ausgabe“ der Werke und Briefe Grabbes war erschienen, seine Grabbe-Bibliographie wies den Stand der Grabbe-Forschung nach.
Werke
Bergmanns schriftlicher Nachlass liegt als Slg 12 in der Lippischen Landesbibliothek. Die über 1.200 Archiveinheiten umfassen neben Vorarbeiten für seine Werke und Editionen auch umfangreiche Briefwechsel etc.
Selbständige Veröffentlichungen
Beiträge
Literatur
- Lippische Bibliographie I 721, 1058, 1147-1148, II 74127416, 10030-10044, 11161
Weblinks
Status der Seite
Quelle: Eberhardt in Bergmann 2021.
22.03.2022 angelegt